Dienstag, 26. Februar 2013

Ein Schauspieler vor dem Herrn


NEUES von Freund ALEX

 

Alex ist mein Freund. Reiner Zufall: Habe ihn per Mausklick im Internet kennengelernt. Etwas älter als ich. Mit einem ganzen Rucksack voller Erlebnisse und Erfahrungen. Ein einstiger DDR-Bürger, der sein Hirn noch voll in Gebrauch hat und – das vor allem – das Herz auf dem rechten Fleck. Mit seinem Einverständnis nehme ich gelegentlich diese oder jene Zeilen, die er mir per E-Mail sendet, in meinem Blog auf. Warum nicht?

 

Mail vom 25. Februar 2013:

 

Gauck(ler ) - Rede nur gelesen und dazu in einem Forum mit einer dreckigen Bemerkung mir das Prädikat „peinlich zu sein“ eingehandelt. Ich habe mir erlaubt, Geibel abgewandelt mit "Am deutschen Wesen soll Europa genesen" meinen Kommentar dazu zu geben. Das einfach deswegen, weil der große Erklärer sich anmaßt, Freiheit, Einheit, unser Glück und was nicht noch alles den paar auserwählten Beifallsspendern nahe zu bringen. Na ja, und über seine pastorale schmierige Eloquenz als Schauspieler vor dem Herrn und der Gemeinde muß man ja nicht weiter sprechen.


Einige seiner Kernaussagen würde ich mir zutrauen so zu zerpflücken, dass der gute Dampfplauderer hinter den ihn schützenden Nebelwänden bis auf die Unterhosen entkleidet hervortreten müsste. So eine Scharlatanerie, die der „Präsident der Herzen“ da betrieb und bei seiner Gemeinde sogar Beifall fand. Nur eine der Nebelbomben: „Ich sehe in Europa unter den politischen Gestaltern in Deutschland niemanden, der ein deutsches Diktat anstreben würde.“


Wäre er in der jüngeren deutschen Geschichte aufmerksamer dabei gewesen, müsste er erkannt haben, dass Deutschland vom Ausruf des F.J.Strauß „Deutschland ist ökonomisch ein Riese, aber politisch ein Zwerg - wir müssen wieder in die Welt hinaus“ bis heute – da sowohl Merkel als auch ihr Finanzminister Schäuble mit ihren Hegemonialbestrebungen - auf dem von Strauß geforderten Weg weit vorangekommen ist. Und die damit verbundene Sparpolitik sowie deren Folgen bei den europäischen Völkern zur Krisenbewältigung zeigt eben kein Glücksgefühl und keine Begeisterung bei den einfachen Menschen für Europa. Es gäbe noch so viel mehr. So der Schwenk zu den jungen Menschen im Saal, wo und wie und was die alle lernen dürfen, die Reisemöglichkeiten. Herr jeminee! So ein gesalbter Scheiß! Der soll sich mal das deutsche Bildungssystem anschauen.


Ich hörte letztlich ein Gespräch im Info-Radio mit der Justizkommisarin der EU Viviane Reding. Die legte den Finger in die Wunde und stellte fest, dass die Lösung der fiskalischen Probleme der EU eben deshalb so schwierig ist, weil man zuerst den EURO als Klammer schuf und jetzt, wo es kriselt, die Gesetze - also die politischen, juristischen und rechtlichen Regularien schaffen muß. Na so was. Dafür werden die also in Brüssel bezahlt.


Und jetzt im Kontext dazu Gauck: „Wer meint, die europäische Vereinigung sei ein Kunstgebilde und unfähig, seine unterschiedlichen Bürgerinnen und Bürger aus bald 28 Nationalstaaten zusammenzuführen, der sei daran erinnert, dass auch die Nationalstaaten nichts natürlich Gewachsenes und nichts Ewiges sind“. So kann man die Leute verarschen und auch auf Zwänge einstellen.

 

Nun bliebe bei mir eine ganz ketzerische Frage: Hat Bismark mit seiner Blut- und Eisenpolitik den einheitlichen deutschen Nationalstaat von oben nach unten als fortschrittliches Konstrukt geschaffen, die Kleinstaaterei damit als Hemmnis der Entwicklung notwendigerweise überwunden und dient das womöglich heute mit anderen restriktiven Mitteln und Methoden (wie Sparzwang, Rettungsschirm ... ) dazu, das uns gefallen sollende Europa zu schaffen?Dann wären natürlich Gaucks Worte richtig: „Europa braucht jetzt nicht Bedenkenträger, sondern Bannerträger, nicht Zauderer, sondern Zupacker, nicht Getriebene, sondern Gestalter.“ (Deutsche Bannerträger?Zauderer wie GB zum Beispiel? Alex.)

 

Wer eben in der Lage ist, an der Bundeswehrakademie zu erklären, dass man für die Freiheit auch Leben opfern können muss, den darf es auch nicht schwer sein, den Europäern Ziel, Weg und Konsequenzen für „FRIEDEN UND FREIHEIT“ aufzuzeigen .

Ob die Verkündigung groß über die Grenzen der BRD hinaus kam ?

 

Ich habe da noch eine ganz gehässige Entgegnung auf eine Passage in seiner Rede. Er sagt: Europa habe eine identitätsstiffende Quelle. „Wir versammeln uns im Namen Europas nicht um Monumente, die den Ruhm der einen aus der Niederlage der anderen ableiten. Wir  versammeln uns für etwas - für Frieden und Freiheit …“

 

Wo und für wen sprudelt die Quelle? In den Ländern, in denen die deutsche Industrie billig produzieren lässt? Auf keinen Fall! Was macht die Kanzlerin so mutig zu sagen, dass wir besser aus der Krise herausgehen als wir hineingekommen sind? Auf wessen Kosten geschieht das? Da muss doch wohl die Frage gestattet sein, warum Frankreich mit einem Staatsdefizit von -3,7 % des Bruttoinlandsprodukts, Italien mit -2,1 %, Spanien mit -6,7 %, Portugal mit -4,9 % und Griechenland mit -4,6 % im Keller stecken und der Musterschüler Deutschland glänzt mit nur -0,2 % Miesen. Dementsprechen natürlich auch die Arbeitslosenquoten: D. 5,7 %, Fr. 10,7 %, It. 11,6%, Sp. 26,9 %, Ptg. 17,3 % , Gr. 27,0 %

 

(Alle Angaben aus der Berliner Zeitung von diesem Wochenende 23./24.02.2013.)

 

Das lässt erkennen , dass die Krise den Norden erreichen wird. Was uns das italienische Wahlergebnis bescheren wird steht dabei noch aus. Aber der Aktienindex flackert ganz schön rauf und runter. Die den Ländern aufgezwungene Sparpolitik nach den „Regeln der schwäbischen Hausfrau, vertreten durch eine aus Meck-Pomm stammende Wissenschaftlerin mit ihren finanzpolitischen Haushaltsgehilfen hat offensichtlich zu einer schweren Rezession geführt. Wo sprudelt da nun für wen etwas, was der Herr als „identitätsstiftend“ sieht? Wer soll sich den damit identifiziern?

 

Und schon kommt die nächste Gauck´che Nebelbombe: „Diese Krise hat mehr als nur eine ökonomische Dimension. Sie ist auch eine Krise des Vertrauens in das politische Projekt Europa“. Soweit richtig. Wobei „Projekt Europa“ wohl mehr im Futur zu sehen ist. Aber egal, das unterschreibe ich auch noch. Das stimmt. Aber - wir würden nicht nur um unsere Währung ringen, sondern auch mit uns selbst. Na, das muß er mal jemandem erklären, der große Erklärer. Soll das bedeuten, dass wir im Ringen mit uns selbst auch verlieren können? Und dann sind wir selbst daran schuld? Wir? Das einfache Volk? Das hatten wir doch schon mal!!

 
Und der Haifisch, der hat Zähne ... und Mäcki, der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht. Brecht sagte auch noch, „die im Dunkeln sieht man nicht“. Aber den Messias der Europäischen Union und des Industrie- und Bankkapitals der BRD hört und sieht man. Und der kann so schöne Geschichten erzählen, so schön erklären. Nur - verstehen konnte ich ihn nicht.

Donnerstag, 21. Februar 2013

Weichspüler am Werk


Zum Film „Nacht über Berlin“ und zur Diskussion

 

Es war nicht anders zu erwarten: Sowohl im Film als auch in der Dokumentation sowie in der Diskussion: Kaum ein Wort zu den Geldgebern Hitlers, zur eigentlichen Schuld des Kapitals und seiner Verbrechen, den eigentlichen Verursachern von Krieg und Nachkriegswirren. Sahra Wagenknecht war in der Diskussionsrunde die einzige, die Klartext sprach und die Ursachen auch aktueller Krisen und Mißstände auf den Punkt brachte. Ihr gegenüber: Die Herren, die sich schützend vor das Kapital stellen und jegliche Widersprüche dieser BRD-Gesellschaft lediglich als Fehler abtun und somit keine Veränderung der Verhältnisse wünschen, sondern diese im Gegenteil sogar mit wortreichem Gelabber weichspülen. Wenn Herr Gabriel (SPD) von seinem Nazi-Vater spricht und bedauernd meint, der habe jegliche Kritik am Faschismus als „nicht wahr“ zurückgewiesen, dann tun das die heutigen Machthaber gegenüber der kritischen Linke nicht anders. Sie igeln sich ein in ihrer Deckelung der kapitalistischen Unverhältnisse und defamieren jeden gedanklichen Vorstoß zur Veränderung. Aber das war ja mit der SPD schon immer so: Sie geht mit dem Kapital und hofft illusionär auf mehr Menschenwürdiges allein durch Reformen. So dienen Film, Dokumentation und Diskussion wieder einmal dem Zementieren alter und zunehmend neuer und gefährlicher Großmachtansprüche des BRD-Imperialismus. Wie lautete das Motto dieser Politklatschrunde: Ist unsere heutige Demokratie gefährdet? Die Süssmuth: Ich weiß es nicht. Tiefer blicken ist sicherlich nicht ihr Hauptfach gewesen.

Übrigens: Die Filmemacher sollten sich auf einen nächsten Film vorbereiten: „Nacht – nicht nur über Berlin.“
Harry Popow

Nachtrag am 22.o2.2013: Einen weiteren Weichspüler kann man ab heute - was aber nicht neu ist - hinzurechnen. Einen Gläubiger, der nichts sehnlicher wünscht, als ein friedvolles Europa. Gut so. Aber die Realität verkennend beschwört er die Vernunft. Solche Ignoranten streuen Sand in die Augen. War da der zurückgetretene Papst in seiner Neujahrsansprache schon einmal weiter? Ja, mit dem einzigen Wort "Profitmaximierung!" Doch das hat der Herr Bundespräsident wohl nie gehört? Er gauckelt etwas vor, und das dumme Volk solls glauben. Woran?

Samstag, 16. Februar 2013

"Danke für die Rezension..."


Werner aus einem Forum schrieb folgende Meinung zur Rezension „Mein Leben in der Piratenpartei 2012“:
Danke für deinen Buchtipp lieber H., ich habe Deine Rezension mit Interesse gelesen und auch den Blogspot zu Cleo Schreiber.

Jo Menschenfreund scheint ein vielseitig interessierter, intelligenter Mensch zu sein - mit einer gesunden Einstellung zu Dingen und Umständen, wie sie sein könnten und in unserer Gesellschaft nicht möglich zu sein scheinen.
Das ganze Thema ist zu komplex und die Allgemeinheit interessiert sich wenig oder gar nicht für die Meinung von Einzelnen, sondern lässt sich durch die bekannten Medien Fernsehen, Radio und Tageszeitung berieseln und für dumm verkaufen. Wer für die täglichen Berichte und Aussagen verantwortlich zeichnet, interessiert die Allerwenigsten. Hauptsache, es kam im Fernsehen oder steht in der Zeitung. Damit MUSS es ja stimmen. Die Allgemeinheit ist schnell fertig mit ihrem Urteil über das Weltgeschehen.

Was soll man auch als Einzelner tun? Sich gegen die Mehrheit stellen und als Außenseiter, Spinner oder sonstwie Verrückter hingestellt zu werden?
Ich habe mein Revoluzzertum jedenfalls vor vielen Jahren aufgegeben und begnüge mich heute damit, einen Pferdeschwanz zu tragen, damit sich die Leute wenigstens ein bisschen über mich aufregen.

Zu der Piratenpartei kann ich nur sagen, dass ich sie bei der letzten Bundestagswahl genau so gewählt habe, wie ich es vor vielen Jahren bei den Grünen getan hatte, damit sie als Stachel für die Etablierten die 5%-Hürde schaffen. Diesmal werde ich meine Stimme einer der großen Parteien geben und damit zu versuchen, das geringste Übel zu unterstützen. Die Piraten kann ich nicht mehr wählen, weil sie durch ihre Grüppchenbildung so viel mit sich selbst zu tun haben, dass für ein großes Gemeinsames wenig Zeit bleibt.

Wie lange Jo Menschenfreund bei den Piraten war und in welcher Funktion, ist mir entgangen. Aber Deiner Rezension nach zu urteilen muss er über fundamentale Erkennntnisse zu verfügen. Unabhängig von irgendwelchen Parteizugehörigkeiten kann man auch so einen gesunden Menschenverstand besitzen und es tut gut, Dinge zu lesen, die der eigenen Meinung entsprechen.

Freitag, 15. Februar 2013

Piratenangst vor Klartext?


Man weiß ja von den bürgerlichen Medien – sie sind Meister im Lügen und Verschweigen und Weglassen von wirklich Wichtigem. Das mir als Autor der Rezension zum Buch mit dem Titel „Mein Leben in der Piratenpartei 2012“ von Jo Menschenfreund genau das im Piraten-Forum passieren wird, wer hätte das gedacht. Unter dem Vorwand, gegen angebliche Urheberrechte zu verstoßen, löschte ein „Jemand“ meine Rezension, und das innerhalb kürzester Zeit. Ich antwortete, dass das nachweisbar durchaus mein Buchtipp sei und forderte dazu auf, den Beitrag umgehend wieder einzustellen. Keine Antwort. Schweigen. Am nächsten Tag veröffentlichte ich abermals meine Rezension im Forum der Piraten. Ich brauchte nicht lange warten, etwa zwei Stunden. Schaue nach im Internet – die Rezension war abermals verschwunden. Darauf meine Reaktion per Mail: „Habe ich mir es doch gedacht: Es geht … nicht um Urheberrecht, sondern um den zu scharfen linken Kurs in dieser Rezension. Zweimal gelöscht, das läßt tief blicken.“

Das stelle man sich mal vor: Da hat jemand – auch in der Piratenpartei - die Stirn, politisch Klartext zu schreiben, mit einem sehr emotionalen Engagement, mit Mut – gegen Krieg, für Frieden, mit einer Eindeutigkeit, die manchen Philistern wieder einmal nicht in den Kram paßt. Das ist nicht nur eine enorme Unterdrückung der vielgepriesenen „Meinungsfreiheit“, sondern ein Mittun, ein Schweigen, dass das deutsche und die Völker Europas schon einmal in die Katastrophe geführt hatte. Dieses mundtod machen – das liegt wohl in welchem Interesse?
Harry Popow

Mittwoch, 13. Februar 2013

"Mein Leben in der Piratenpartei 2012"


Ein politisches Tagebuch von Jo Menschenfreund


Buchtipp von Harry Popow

 

Jeder hat seine eigene Sicht, aber nicht jeder sieht etwas, das besagt ein polnischer Aphorismus. Die Politik macht es uns vor, jeder quasselt auf Teufel komm raus, mehr oder weniger substanzreich. Meist weniger. Unsere Zeit aber benötigt Sehende, Nachdenkliche, Handelnde, kritische Sichten. Licht ins Dunkel zu bringen, Klartext zu sprechen  - das ist eine Frage des Überlebens geworden auf diesem Planeten Erde, eine Frage des Charakters, des zielgerichteten politischen Kampfes. So wie das in linksgerichteten fortschrittlichen Zeitungen, in online-Beiträgen und vereinzelt in Parteien geschieht. Das neueste erfeuliche Beispiel: Das 461 Seiten umfassende Buch von Jo Menschenfreund (Pseudonym) mit dem Titel „Mein Leben in der Piratenpartei 2012“.

Jo Menschenfreund ist Gründer der AG Friedenspolitik und zum Zeitpunkt der Erstellung des Buches einer der für drei Monate gewählten Sprecher des basisdemokratisch organisierten „Sozial Progressiven Piratenkreises“  innerhalb der Piratenpartei. Zu seinem Buch meint er, es sei keine vollständige Geschichte der Piratenpartei, er beschreibe lediglich Vorgänge und Erlebnisse „aus der subjektiven Sicht eines engagierten Aktivisten…“

Doch Skepsis ist angebracht. Da sollte man sich schon angesichts der bisherigen politischen Unterprofilierung dieser anfangs in der Gunst der Wähler nach oben geschnellten Piratenpartei fragen, welche Sicht auf die Partei und auf die Welt  Jo Menschenfreund hat? Welche Vorstöße unternimmt der Autor, um sich und damit auch die Partei fester zu positionieren? Welche Spuren nimmt er auf?

Ins Auge fällt, mit wie vielen Themen sich der Autor auseinandersetzt. Da geht es laut Inhaltsverzeichnis u.a. um das Innenleben der Piratenpartei, um Basisdemokratie, um Rassismus, um das Grundgesetz, um die Manipulation durch die Medien, um die Bankenkrise, um die Antideutschen und deren versuchtes Eindringen in die Piratenpartei, um Nazis, um Friedenspolitik, um Terrorismus, um Menschenrechte, um Drohnen, um Verschwörungstheorien. Es geht um Erwartungen, Hoffnungen, Initiativen, Auseinandersetzungen, Enttäuschungen und Aussichten. Drei der wesentlichen Themenkomplexe möchte der Leser besonders ins Auge fassen: Krieg, Europa und Antiimperialismus.

 
Auf den insgesamt 461 Seiten finden sich etwa 222 Vokabeln zum Krieg. Will man Wörter suchen, die die Ursachen von Kriegen markieren, dann gibt es fünfmal die Bezeichnung Monopol, 30 mal das Wort Imperialismus (das man in den bürgerlichen Medien kaum findet), dreimal das Wort Ausbeutung, einmal die Vokabel Mehrwert. Nach solchen Wörtern wie Privateigentum, Eigentumsverhältnisse und Profitmaximierung sucht man allerdings vergeblich.

Bereits im Vorwort positioniert sich der Autor: Er wolle eine politische Programmatik mithelfen zu entwickeln, „die eine moderne Friedenspolitik im 21. Jahrhundert dem Konzept des ´Recht des Stärkeren` aus der Zeit als wir noch in Höhlen wohnten, gegenüber stellt.“ Braucht er dazu Mut? Er beantwortet sich die Frage selbst: Nur wenige würden sich trauen, öffentlich auszusprechen was sie denken, wurde dies doch über Jahrzehnte als "kommunistisch" oder "sozialistisch", als "Spinnerei" oder "weltfremd" bezeichnet, bzw. besonders neuerdings als „antisemitisch“, „rechts“ oder „Querfront“.

 
Und so nimmt er kein Blatt vor den Mund, die Enttäuschungen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks folgendermaßen zu charakterisieren: Es hatten „viele Menschen die Hoffnung, dass jetzt eine Zeit des Friedens, der Abrüstung beginnen würde. Und was haben wir erreicht? Atomwaffen, netterweise jetzt „Mini Nukes“ genannt sind nicht mehr Abschreckungswaffen, sondern Teil des normalen Kriegsszenarios der Nato. Es wird mehr statt weniger in Rüstung in der westlichen Welt ausgegeben. Wir haben mehr Kriege als jemals vorher. Und wir stehen heute vielleicht näher vor einem 3. Weltkrieg als zur Zeit des Eisernen Vorhangs und der gegenseitigen Abschreckung.“ (S.111)

 
Jo belegt diese Aussage zusammenfassend: „Alle Welt spricht von den ca. 3.000 Toten durch den Terroranschlag von 9/11. Und die toten US-Soldaten aus dem Irak- und Afghanistankrieg werden einzeln als Helden geehrt. Schon viel weniger denken an die über 1,75 Millionen nicht US-Bürger, die durch die Kriege zu Tode kamen. Noch weit weniger reden von den tausenden, vielleicht zehntausenden von missgebildeten Kinder durch Uranmunition 619. Und niemand spricht von den Millionen, die körperlich und / oder seelisch schwerstverletzt wurden, die ihr Leben lang an der Bürde eines Krieges zu tragen haben. Und wieder hört man in Deutschland, dass Krieg ´auch mal notwendig sei´. Man hört, dass es einen ´gerechten Krieg´ gäbe. Man erklärt uns, dass Deutschland ´seinen Beitrag leisten müsse.´ Man erklärt uns, dass wir den Menschen helfen müssten ´sich zu befreien´. Was nichts anderes bedeuten soll, als sich unseren Idealen, unserem Weltbild anzupassen. Was automatisch bedeutet, dass wir Krieg als ewigen Begleiter akzeptieren sollen.“ (S. 448)

 
Der Autor und Pirat weiß ebenso wie Millionen andere Bürger: Enttäuschungen türmen sich nur dann auf, wenn sie sich aus Illusionen nähren, aus Gläubigkeit und politischem Unwissen, in Verkennung der wahren Ursachen für imperialistische Machtansprüche. So ist das auch mit den anfänglichen Jubelschreien zur EU. Jo meint, die Piraten würden ja sagen zur Europäischen Union, wollen aber anmerken, die EU-Einheit solle als langfristiges, basidemokratisch vorbereitetes Projekt beginnen. Aber vollkommen unabhängig von der derzeitigen Geldordnungs- und Finanzkrise. Dem widerspreche, das legt der Autor dar, dass es Profiteure der heutigen Krise gebe. Und diese sollten zuallererst herangezogen werden. Wörtlich: „Wenn diese Unternehmen ihre Last dem Staat, also jedem einzelnen Bürger, aufbürden, müssen Sie auch ihr Eigentumsrecht abgeben.“ (S. 109) Auf Seite 110 ergänzt er: „Wir dürfen uns nicht wegen einer Krise, in die uns die Elite der Gesellschaft manövriert hat, dazu bringen lassen, überhastet und übereilt in eine neue Gesellschaftsordnung einzutreten, in der noch stärker Eliten das Sagen haben und Einfluss nehmen werden. Wodurch mehr Sprengstoff entsteht, als wir derzeit durch die Finanzkrise angehäuft sehen.“

 
Was unternimmt ein vernunftbegabtes Wesen, um sich eine eigene Orientierung  zu geben, um sich weitgehend unabhängig von den Nebelschwaden verbreitenden bürgerlichen Medien zu machen? Jo Menschenfreund tut das, indem er sich die Frage stellt, ob er sich einen Antiimperialisten nennen könne. Auf Seite S.198/199 schreibt er: „Nachdem man mich auf Twitter einen ´Piraten-Ober-Antiimperialisten´ genannt und aus dem Grund geblockt hatte, wollte ich der Sache nachgehen, was denn einen ´Antiimperialisten´ heutzutage überhaupt ausmachte. Und so kaufte ich mir das Büchlein ´Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen´ der Linksjugend Hamburg, um mich auf den neusten Stand zu bringen.“ (Mit Kapitalismus ist kein Frieden zu machen, Christine Buchholz/Stefan Ziefle ed.al, www.papyrossa.de ISBN 978-3-89483-504-0)

 
In der Einleitung des Büchleins werde darauf hingewiesen, so Jo Menschenfreund, wie die Konsequenzen, die aus dem zweiten Weltkrieg gezogen worden waren, nämlich „NIE WIEDER KRIEG“ und „NIE MEHR FASCHISMUS“ längst der so genannten „Realpolitik“ geopfert wurde. Krieg sei wieder zu einem Mittel der Interessenvertretung geworden, nur klüger verpackt in Rechtfertigungen. „Und selbst wenn diese sich nachträglich als Lügen herausstellen, funktioniert es beim nächsten Krieg wieder wie immer.“

 
Auf Seite 201 zieht der Pirat Jo Menschenfreund für sich das Fazit: Wer sich mit Friedenspolitik beschäftige, komme um das Thema Imperialismus und Antiimperialismus und auch die Frage einer linken Ideologie nicht herum. Für ihn erschließe sich, dass er wohl tatsächlich ein Antiimperialist sei. Auf Seite 403 fährt er fort: „Aktive Friedenspolitik im oben dargelegten Sinn ist m.E. die einzige Chance, die die Menschheit hat, um mit steigenden Bevölkerungszahlen und schwindenden Ressourcen, sich zu einer friedlichen und nachhaltig wirtschaftenden Gesellschaft zu entwickeln. Wenn der Wert der menschlichen Arbeit und das Engagement der Menschen für Rüstung und Kriege verschleudert wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass der nächste Jahrhundertwechsel einen großen Teil der Menschheit wieder in Höhlen leben sieht. Nachdem Millionen und Milliarden qualvoll zu Tode kamen.“

 

Das Fazit des Rezensenten: „Mein Leben in der Piratenpartei 2012“ sollte ein Lehrbuch sein, wie man nicht nur „basisdemokratisch“ mitspielt in der Piratenpartei, sondern ernsthaft darum ringt, seine eigene politische Position zu erlangen und zu festigen. Die Vielfalt der Interessengebiete, die der Autor ins Spiel bringt und sich damit auseinandersetzt, zeugt von einer hohen kulturellen und politischen Bildung, von einem erstrebenswerten Drang, über sich selbst hinauszuwachsen, durch eifriges Suchen ein Sehender und aktiv Handelnder zu sein.

 

…doch nicht jeder sieht etwas? Jo Menschenfreund gehört nicht zu denen, die sich verschaukeln lassen.

 

„Mein Leben in der Piratenpartei 2012“ von Jo Menschenfreund, epubli-Verlagsgruppe Holtzbrinck, 27,90 Euro, Hardcover, DIN A5 quer, 464 Seiten, Erscheinungsdatum: 31.12.2012


 

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

 

Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

 

 

Dienstag, 12. Februar 2013

Der Krieg ist kein Gesetz der Natur und der Friede ist kein Geschenk


 

 Von Manfred Volland

 

Am 01.03.2013, dem 57. Jahrestag der NVA, werden erneut Tausende ehemalige Angehörige ihren Stolz bekunden, dass ihr aufopferungsvoller Dienst den Frieden mitgesichert und erhalten hat. Als Armee des Friedens und des Volkes ist sie in die deutsche Militärgeschichte eingegangen. Inzwischen, ist es leider zur Selbstverständlichkeit geworden, dass die westlichen Militärbündnisse, allen voran die NATO mit der BRD, den Krieg als normale Alltagserscheinung betrachten. Mit übergroßem Eifer, schwülstigen Reden und wissenschaftlichen Saltosprüngen unternehmen die westlichen Militärbündnisse mit ihren Spitzenpolitikern fast täglich den Versuch, den Menschen verständlich zu machen, dass nur durch kriegerische Handlungen, durch Rüstungsproduktion und deren Export die Welt sicherer und der Reichtum, die Freiheit und Demokratie der wohlhabenden Länder garantiert werde. Wie anders kann man sonst die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU verstehen.

Preisstifter Nobel hatte einst in seinem Testament verfügt, dass der Preis jenen verliehen wird, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben, die am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere hingewirkt haben. Dabei gibt es keine der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen jüngerer Vergangenheit, an der nicht EULänder beteiligt waren. Prof. Georg Schirmer hat am 10.12.2012 in einem Artikel in der „jungen Welt“ darauf verwiesen, „dass die EU in keinem der aktuellen militärischen oder gewaltträchtigen Konflikte - Irak, Afghanistan, Iran, Israel-Palästina, Libyen einen deeskalierenden Beitrag geleistet hat“. Daraus schlussfolgert er satirisch, den Friedenspreis verdiene ebenso die NATO. Aber auch innerhalb der EU herrscht nicht nur Frieden. Erinnert sei an die Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Irland, Nordund Südzypern, der Türkei und Griechenland, zwischen Ungarn und Rumänien und nicht wenige innerstaatliche Konflikte in mehreren europäischen Ländern. Nicht vergessen ist, dass die EU aktiv am Krieg gegen Jugoslawien beteiligt war. Auch hier wurde das Völkerrecht mit Füßen getreten und inzwischen ist es für die Kriegsapologeten zur Normalität geworden, dass überall dort, wo Menschenrechte, Demokratiegestaltung und Freiheitsbegriffe nicht westlichen Vorstellungen entsprechen, auch ein militärisches Eingreifen gerechtfertigt sei. Unverhohlen hat das Frau Merkel auf der Tagung des Spitzenpersonals der Bundeswehr am 22.10.2012 in Strausberg zum Ausdruck gebracht. Sie rechtfertigte Rüstungsexporte als Friedensmittel, indem sie verstärkt auf Rüstungsexporte und militärische Ausbildungshilfe für „vertrauenswürdige Partner“ setzte. Deutsche Rüstungsexporte sind neuerdings Friedensbotschaften für die Völker. Sie betragen inzwischen jährlich mehr als zwei Milliarden Euro. Deutsche Rüstungsoligarchen bedauern, dass sie nur den 3. Platz in der Welt einnehmen, denn in der Kriegsschuld des letzten Jahrhunderts nimmt Deutschland unangefochten den ersten Platz ein. Also haben die Rüstungsbosse diesbezüglich noch Spielraum. Nur so kann man das Vorpreschen und den Eifer deutscher Außenpolitik verstehen, 400 Bundeswehrsoldaten mit zwei Patriot-Raketenabwehrstaffeln in die Türkei zu verlegen, um angeblich die Türkei zu schützen. Außerdem soll ja Syrien chemische Waffen besitzen, deren Einsatz man ins Kalkül ziehen müsse. War nicht eine solche Lüge vor zehn Jahren der Anlass des Überfalls der USA auf den Irak? Ohne Skrupel war man seitens der BRD auch sofort bereit, sich am Krieg Frankreichs in Mali zu beteiligen. Verteidigungsminister Thomas de Maizère begründet die Kriegsbereitschaft Deutschlands so: „Die Deutschen können nicht einfach sagen, wir haben da nichts zu suchen.“ Das Credo seiner Interventionspolitik ist: „Die Bundeswehr muss grundsätzlich überall deutsche Interessen verteidigen dürfen“. Da werden Erinnerungen an die verhängnisvolle deutsche Vergangenheit wach.

Fast jeder Krieg im letzten Jahrhundert hat mit einer faustdicken Lüge begonnen. Man spekuliert auf die Unwissenheit der Mehrheit der Menschen und ihr blindes Vertrauen in die Herrschenden. Krieg wird immer mehr als unvermeidlich, als Gewohnheitsrecht suggeriert, ohne den die Menschen der westlichen Welt nicht mehr in „Demokratie, Wohlstand und Freiheit“ leben könnten.

Als sich am 1. Juli 1991 der Warschauer Vertrag auflöste, gebot die Vernunft im Interesse des Friedens, dass sich auch die NATO auflöst. Was wäre es für ein Glück in dieser von Kriegen geschüttelten Welt gewesen, wenn die Unsummen für militärische Ausgaben endlich in soziale Kanäle geflossen wären? Im Gegenteil. Die NATO existiert weiter, die Völker werden permanent durch Kriege bedroht, und riesige Summen – weltweit über 1,5 Billionen Dollar – für militärische Zwecke ausgegeben. Im November 1991 und dann im April 1999 hat man eine Begründung für den Fortbestand der NATO und deren neue Strategie verkündet. Die USA haben zugegeben, dass es ihnen sowohl um die Sicherung von Rohstoffquellen und der erforderlichen Verbindungswege, aber auch um die Sicherung der privilegierten Reichtumsinteressen der USA und der westlichen Welt geht. Prägend für die US-amerikanische Außenpolitik ist die Vorstellung von einer Welt, die nicht allen Menschen die Möglichkeit einer Beteiligung am Reichtum unserer Erde bieten darf. Folglich werden die Reichen weiterhin ihren Wohlstand gegen die Armen mit allen Mitteln durchsetzen.

Thomasz Konicz, ein polnischer Journalist und Geschichtswissenschaftler, hat bedeutende Erkenntnisse über „Neue Weltordnungskriege“ herausgearbeitet und zitiert Reinhard Herden, Generalstabsoffizier der Bundeswehr, Bereichsleiter für Analysen und Risikoprognosen: „In diesem Jahrhundert werden die jetzt in Frieden lebenden wohlhabenden Staaten gegen die Völker der armen Staaten und Regionen ihren Wohlstand verteidigen müssen. Der Menschheit steht ein Jahrhundert des Mangels bevor. Um die Dinge, die man einmal kaufen konnte, wird man Krieg führen müssen. Das Feindbild widerspiegelt sich im archaischen Krieger’, Banditen, die keine Loyalität kennen, aus Gewohnheit Gewalt anwenden und an Recht und Ordnung kein Interesse haben.“

Das sind die wahren Gründe des nicht mehr enden wollenden Kriegsgeschreis, das inzwischen schon wieder zur Hysterie wird.

Wenn also die Clausewitz’sche Formel: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ weiter Bestand hat, die Globalisierung als dehnbarer Begriff und umfassend gilt, sind die Gründe und Anlässe von Kriegen ebenso dehnbar und vielseitig. Längst sind die bisherigen Kriegsabläufe durch eine Vielzahl demagogischer Begriffe ersetzt, wie z.B. „Terrorismusbekämpfung“, „asymmetrische Kriege“, „ethnische Auseinandersetzung“, „Sicherung des ökonomischen Wachstums“, „Kriege gegen Menschenrechtsverletzungen“. Nicht nur Inhalt und Formen der Kriegsführung haben sich verändert. Längst nicht mehr riesige Heere, gepanzerte Waffentechnik, Artillerie-Raketenwaffen, Luftstreitkräfte und herkömmliche Flottenverbände entscheiden über Sieg oder Niederlage sondern hochmoderne nukleare Massenvernichtungswaffen, Lasertechnik, funkelektronische Kampfmittel und unbemannte Drohnen. Diese dienen nicht nur als Aufklärungsmittel über gegnerischem Territorium, sondern auch als Trägermittel für Kern- und Laserwaffen. Die Anschaffung und der Einsatz dieser barbarischen Killerwaffen beruht auf der Offensivstrategie, oder wie es in der BRD bezeichnet wird, auf der Invasionsbereitschaft.

Deshalb sind die Kriegsapologeten krampfhaft bemüht, der Menschheit den Krieg als Notwendigkeit schmackhaft zu machen. Man soll sich damit abfinden, daß der Krieg wieder eine Alltagserscheinung ist, für Wohlstand, Reichtum, Demokratie und Freiheit die Voraussetzung bildet. Deshalb gilt der Krieg für sie nicht mehr als Menschenrechtsverletzung und soll außerhalb des allgemeingültigen Völkerrechts gestellt werden. Gibt es eine Alternative zu dieser gefährlichen Entwicklung? Kann der Krieg als Alptraum der Menschheit durch dauerhaften Frieden ersetzt werden? Der Krieg darf nicht als schicksalhafte Unvermeidlichkeit hingenommen werden. Sind Massenproteste in europäischen Ländern gegen das Eurodiktat, die Erhebungen in der arabischen Welt, die Massenbewegungen in Lateinamerika gegen US-amerikanische Einmischung, aber auch viele Antikriegs-Aktionen in Europa ein hoffnungsvoller Anfang?

Die Völker der Welt müssen ihre Anstrengungen vergrößern, soziale Gerechtigkeit durchzusetzen, die Rüstungsproduktion zu drosseln und deren Export zu verbieten. Bei zwischenstaatlichen Differenzen muss das Völkerrecht wieder Dominanz gewinnen und Toleranz und Einsicht an Stelle von Waffengewalt treten. Leider gibt es in Deutschland nur eine einzige parlamentarische Kraft, die mit aller Deutlichkeit diese verhängnisvolle Kriegspolitik entlarvt. Das ist die Partei „DIE LINKE“. Das sollten auch unsere ISORMitglieder bei den Entscheidungen im Jahre 2013 berücksichtigen.

 

Manfred Volland ist Mitglied des ISOR-Vorstandes. 

Der Abdruck ist mit freundlicher Genehmigung der Redaktion von ISOR aktuell entnommen.