Mittwoch, 7. Januar 2015

Franz Witsch zum Anschlag auf Satiremagazin

Übernahme des folgenden Textes mit Genehmigung des Autors Franz Witsch!


Liebe FreundeInnen des politischen Engagements,

    der Anschlag auf das islamkritische Satiremagazin "Charlie Hebdo" ist an Grausamkeit kaum zu überbieten.(Q1) Diesmal sind nicht wahllos irgendwelche Bürger betroffen, sondern ganz bestimmte Bürger, denen man Kritik am Islam verübelt.

Wie auf diese Grausamkeit reagieren?

Der französische Präsident Holland ruft die Nation zur Einheit auf. (Q1)
Alle Franzosen müssen zusammenstehen; die Frage ist nur: in Bezug auf was, für wen oder gegen wen?

Ist doch klar! Gegen das Böse schlechthin; was sonst? Man wird in Zukunft noch mehr Taten sehen wollen, die Sicherheit versprechen. Und das sofort!

In solchen Situationen versagt sich die Öffentlichkeit jede Analyse, die über die Feststellung dessen, was geschehen ist, hinausgeht. Das ist eine Verteidigungshaltung wie sie bei Reptilien ganz "natürlich" ist. Dürfen sich Menschen aber auf Instinktverhalten reduzieren? Ich meine, unter keinen Umständen.

Reptilien kennen keine Reflektion über das hinaus, was sie unmittelbar ist. Gefahr bedeutet: Flucht, Angriff oder Verteidigung - sofort! Das einzelne Faktum gerinnt hier zum Ganzen; nicht soziale und ökonomische Strukturen, in die das Faktum eingebunden ist, aus dem heraus es sich verstehen und erklären ließe. So reagieren Menschen im Kriegszustand - eben wie Reptilien, wenn Angst aufkommt und keine Zeit bleibt, sie zu verarbeiten: dann werden Ängste kurzschlüssig, im Tunnelblick auf das Böse, verarbeitet. Das geschieht schichtübergreifend. Politiker oder Wissenschaftler vermögen -  nicht weniger fragwürdig - ihren Tunnelblick nur besser zu verbergen - in endloser Quasselei z.B. bei Weichspüler Jauch.

Auch für so manchen Wissenschaftler fällt das Böse vom Himmel. Er verkennt, dass es aus den sozialen und ökonomischen Strukturen heraus wächst, in die wir unmittelbar und mittelbar involviert sind, zumal über längere Zeiträume. Nunmehr, wo der Terror in Europa gezielt bestimmte Menschen mordet, werden sich die Menschen unter Anleitung der Öffentlichkeit in ihr Reptilienschneckenhaus zurückziehen.

Nicht nur dass Menschen in Zukunft, weil sie Angst haben, den Mund halten; es ist schlimmer: man wird den gezielten Hinrichtungen der Amerikanern jetzt mit noch mehr Verständnis begegnen. Und darüber vergessen, dass sie mit ihren weltweiten Kriegen v.a. gegen den Irak, den Islamismus in Gestalt u.a. des Islamischen Staates heraufbeschworen haben.

Schlimm ist, dass die Amis zusammen mit ihren Verbündeten, v.a. den Europäer, nur die Sprache der Gewalt gegen andere Staaten kennen, dazu extralegale Hinrichtungen mutmaßlicher Terroristen über ferngelenkte Drohnen (Q2). So etwas verträgt sich absolut nicht mit konstruktiv-analytischer Kritik gegen den Islam, geschweige gegen islamische Mitbürger. Die ich für absolut notwendig halte, nicht zuletzt um der Pegida-Bewegung wirksam zu begegnen. Das geschieht bislang nicht die Spur - wie auch an der Seite von Typen wie Bundespräsident Gauck.

Das folgende Zitat aus Q2 illustriert die alltägliche Gewalt des Westen, in die wir Europäer tief verstrickt sind:
>>Dass Informationen aus Deutschland auch für extralegale Tötungen verwendet werden, ist laut Einschätzung der Bundesregierung unbedenklich. Bereits 2010 erklärte sie schriftlich, man dürfe "feindliche Kämpfer auch außerhalb der Teilnahme an konkreten Feindseligkeiten gezielt bekämpfen"; dies schließe explizit "den Einsatz tödlich wirkender Gewalt ein".[14] Ebenfalls 2010 war aus dem Bundesverteidigungsministerium zu erfahren, es richte sich "nach den Umständen des Einzelfalls", "welche Personen ... als feindliche Kämpfer jederzeit bekämpft werden können und welche Personen ihren Schutz als Zivilpersonen ausnahmsweise verlieren".[15] Beide Auskünfte waren auf den Afghanistan-Krieg gemünzt und sollten die "gezielte Tötung" von Verdächtigen im Krieg jenseits rechtsstaatlicher Verfahren legitimieren. Ungeachtet der Tatsache, dass Völkerrechtler diese Interpretation scharf kritisieren, bleibt festzuhalten, dass Pakistan, aber auch der Jemen oder Somalia, wo ebenfalls regelmäßig "gezielte Tötungen" verübt werden, nicht zum afghanischen Kriegsgebiet gehören. Informationen deutscher Geheimdienste haben zumindest in einem Fall zur extralegalen Tötung eines Deutschen in Pakistan beigetragen - im Fall Bünyamin Erdoğan.<<

Ich meine: Solange diese Form der Gewalt sowie jede militärische Intervention gegen sogenannte feindliche Länder nicht aufhören, brauchen wir uns über mehr Sicherheit vor Anschlägen in Europa nicht zu unterhalten.

Dazu kein Wort von Gauck. Nicht einmal von der SPD hört man etwas. Die Grünen haben seit dem Ukraine-Konflikt ohnehin jede Glaubwürdigkeit verloren. Mit all denen zusammen gegen Pegida auf die Straße? Niemals!

Herzliche Grüße
Franz Witsch
www.film-und-politik.de


Anmerkungen:
[14] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2884, 08.09.2010.
[15] Deutscher Bundestag, Drucksache 17/2775, 20.08.2010.

Quellen:
Q1: Angriff auf Satiremagazin: Terroranschlag in Paris - Mindestens zwölf Tote
faz.net vom 07.01.2015
http://www.faz.net/aktuell/politik/anschlag-auf-satiremagazin-charlie-hebdo-in-paris-11-tote-13357436.html
Q2: Zur Tötung vorgeschlagen
gfp vom 06.01.2015
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59025

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