Donnerstag, 2. April 2015

Hanna zur Apitz-Verfilmung

Lieber Harry,
hab Dank für deine kluge Einschätzung der sogenannten Neuverfilmung von Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen". Die gestern im Fernsehen gelaufene BRD-Adaption ist nach meiner Einschätzung als Gegenentwurf zu der hervorragenden DEFA-Fassung konzipiert worden, à la "Jetzt wollen wir mal zeigen, was der Apitz wirklich geschrieben hat". Und so wird vor allem unterschlagen, dass in Buchenwald die Kommunisten als Funktionshäftlinge, wie die Kapos bei der SS hießen, unendlich viele Menschenleben retteten und für Tausende das Überleben der Gräuel möglich machten, wofür auch der Kampf um das Leben des Kindes steht. Und dass es auch ein Film ist, der die Selbstbefreiung des KZ vor Eintreffen der US-amerikanischen Truppen bezweifeln soll, versteht sich. Schwerpunkt des Films ist das Aufzeigen des Leidens im KZ, was ja nicht zu verkennen ist, geht aber an der Aussage des Buches von Apitz vorbei, der vor allem die illegale Lagerorganisation der Kommunisten in den Mittelpunkt gestellt hatte. So gesehen kann man sagen, die Filmfassung des BRD-Regisseurs Philipp Kadelbach nutzt lediglich Teile des Apitz-Buches, unterschlägt aber das Grundanliegen des Autors, nämlich dem Heroismus der Kommunisten ein Denkmal zu setzen - ganz im Sinne des hierzulande herrschenden Antikommunismus. Da fragt man sich, was der Regisseur unter der "heutigen Sichtsweise" versteht.
Die gestern nachfolgende halbstündige Dokumentation "Buchenwald - Heldenmythos und Lagerwirklichkeit" kleidet die ganze antikommunistische Grundhaltung in die niederträchtige Frage, ob die Funktionshäftlinge nicht doch gemeinsame Sache mit der SS gemacht hätten. Erbärmlicher geht es nimmer.

Hanna Fleiss

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen