Samstag, 3. Februar 2018

Lawrow zum Tag des Sieges


02.02.2018, 17:20:07 / Ausland

Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow



1. Februar 2018 in Moskau


Von Sergej Lawrow

Rede des russischen Außenministers Sergej Lawrow am 1. Februar 2018 in Moskau auf einer Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag des Sieges in Stalingrad

Verehrte Genossen, Freunde, Kollegen, meine Damen und Herren,

dieses Jahr steht im Zeichen des 75. Jahrestages des Sieges in Stalingrad. Die Erinnerung daran wird nicht nur in unserem Land weithin beachtet, sondern auch in vielen Staaten der Welt.

Zweifellos war die Schlacht von Stalingrad der wirkliche Beginn einer tiefgreifenden Wende im Großen Vaterländischen Krieg und im Zweiten Weltkrieg insgesamt. Sie zählt zu den Schlüsselereignissen der Weltgeschichte. Sie wurde zum klaren Ausdruck von Mut, Standhaftigkeit und Opferbereitschaft aller Völker der früheren UdSSR. Sie machten die verbrecherischen, menschenverachtenden Ideen der Nazis zunichte und verhinderten eine globale Katastrophe. Wir alle stehen in der nicht abzutragenden Schuld der Helden.

Der Sieg der sowjetischen Soldaten löste im Ausland eine begeisterte Reaktion aus und stärkte das internationale Ansehen unseres Landes. Davon kündet die hier gezeigte Ausstellung von Dokumenten aus dem Außenpolitischen Archiv der Russischen Föderation. Unser Sieg in Stalingrad hatte besondere Bedeutung für den Kampfgeist unserer Verbündeten in der Antihitlerkoalition. US-Präsident Franklin Delanoe Roosevelt nannte ihn einen epischen Kampf, dessen entscheidendes Resultat alle Amerikaner feierten. In der Ehrung, die er später im Namen des Volkes der USA nach Stalingrad sandte, unterstrich er, dass »die seelische Kraft und die Hingabe« der tapferen Verteidiger der Stadt »für ewig in die Herzen aller freien Menschen Eingang gefunden« habe.

Der britische König schenkte Stalingrad ein Schwert, auf dessen Klinge in russischer und englischer Sprache die Inschrift eingraviert war: »Den Bürgern Stalingrads, den stahlharten – König George VI. als Zeichen tiefer Bewunderung des britischen Volkes.«

Der Sieg von Stalingrad beeinflusste die strategische Lage an den anderen Fronten des Zweiten Weltkrieges und motivierte die Widerstandskämpfer Europas, die unter dem Eindruck des Ereignisses an der sowjetisch-deutschen Front, ihren Kampf gegen die Besatzer aktivierten.

Es ist von tiefer Symbolik, dass heute viele Straßen und Plätze europäischer Städte den Namen Stalingrad tragen. Das ist ein Tribut an die beispiellose Tapferkeit und den Mut seiner heldenhaften Verteidiger.

Ihr Beitrag zu den Bemühungen aller, den Feind so schnell wie möglich zu zerschmettern, beeinflusste auch den außenpolitischen Dienst des Vaterlandes. Seine Tätigkeit war von den ersten Tagen des Krieges an darauf gerichtet, eine Antihitlerkoalition zu bilden und zu festigen, zu sichern, dass Militärtechnik, Lebensmittel und andere dringend benötigte Waren ununterbrochen geliefert wurden. Buchstäblich Tag und Nacht wurde eine intensive diplomatische Arbeit geleistet. Eines der wichtigsten Ergebnisse war die Durchführung der Moskauer Außenministerkonferenz Ende 1943 und der Teheraner Gipfel der »großen Drei«.

Sehr geehrte Damen und Herren, Freunde, Genossen,

die wichtigste Schlussfolgerung aus den Ereignissen jener Jahre sollte die Verpflichtung ein, alles zu tun, damit eine Wiederholung ähnlicher Tragödien vermieden werden kann. Wir haben nicht das Recht zu vergessen, zu welchen katastrophalen Konsequenzen das Streben nach Weltherrschaft auf der Grundlage der Überzeugung von der eigenen Einzigartigkeit geführt hat. Die Schicksale der Welt dürfen nicht von einem einzigen Staat oder einer kleinen Gruppe »Auserwählter« bestimmt werden. Sicherheit muss für Teilnehmer am internationalen Leben gleich und unteilbar sein. Eine feste Barriere gegen die Verbreitung von Ideen der Intoleranz, der Fremdenfeindlichkeit, rassischer, nationaler oder sonstiger Überlegenheit zu errichten, ist unsere heilige Pflicht gegenüber denjenigen, die mit ihrem Blut und ihrem Leben die Menschheit vor dem Grauen der »braunen Pest« retteten.

Leider ist die Immunität gegenüber dem nazistischen Virus in einigen Ländern schwächer geworden. Wir sind heute Zeugen ungezählter Versuche, die Geschichte zu fälschen, die Kämpfer und Befreier zu beschmutzen, die Nazis und ihre Handlanger aber weißzuwaschen. Tiefe Beunruhigung ruft die Situation in der Ukraine hervor, in der sich Neonazis und Radikale ausbreiten. In einer Reihe europäischer Länder lebte der Kampf um die Kriegsdenkmäler neu auf, die den für Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent Gestorbenen gewidmet sind, deren Sieg viele Völker vor dem Verschwinden unter dem nazistischen Joch bewahrte.

Russland wird dieser perversen Entwicklung weiterhin mit Härte entgegentreten. Wir werden in den zwischenstaatlichen Beziehungen weiterhin die historische Wahrheit aufrechterhalten, die Ideale des Guten und der Gerechtigkeit. Die Ehre und der gute Name der Sieger, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges – sie sind unantastbar.

Die Erfahrung von Verbundenheit und Waffenbrüderschaft in den Jahren des zweiten Weltkrieges wird unter heutigen Bedingungen besonders benötigt, da die internationale Gemeinschaft mit zahlreichen gefährlichen Herausforderungen zu kämpfen hat, darunter internationalen Terroristen, die wie die Nazis völlig Missachtung menschlichen Lebens bei der Verfolgung ihrer manischen Ziele zeigen. Offensichtlich ist, dass wir ihnen und ebenso anderen Bedrohungen nur auf der Grundlage von Solidarität und gegenseitigem Vertrauen begegnen können, gestützt auf das Völkerrecht und auf die zentrale koordinierende Funktion der UN.

Ich möchte unterstreichen, Russland ist bereit für eine gemeinsame Anstrengung, für wechselseitig respektvolle Zusammenarbeit, für die Bündelung der Kräfte und die kollegiale Suche nach Lösung aller angesammelten Probleme im Interesse der Festigung des Friedens, der Stabilität und der Sicherheit.

Übersetzung aus dem Russischen: Arnold Schölzel



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