Sonntag, 8. April 2018

Aktueller geht´s nicht... (Brief von Dean Reed - 1971)



Sascha's Welt: "Die Unwissenheit läßt die Völker nicht nur in Schlaffheit versinken, sondern erstickt in ihnen selbst das Gefühl der Menschlichkeit." (Helvétius)

Historisches: Offener Brief von Dean Reed an A.Solzhenizyn
Veröffentlicht am 8. Juni 2015 von sascha313

Dean Reed (1938-1986)

In dem nachfolgenden Offenen Brief verurteilt der Kommunist Dean Reed aufs Schärfste die Lügen und Verleumdungen des vom westlichen Imperialismus finanzierten „Dissidenten“ Alexander Solzhenizyn. Der in den USA geborene Sänger und Schauspieler Dean Reed war in der Sowjetunion und in der DDR sehr beliebt. Zunächst studierte er an der Colorado-Universität Meteorologie, wandte sich aber dann gänzlich der Musik zu. Bei einer Tournee durch Südamerika, wo er sehr bald viel beliebter war als sein Landsmann Elvis Presley, lernte er auch die sozialen Ungerechtigkeiten in diesen Ländern kennen. Seine Begegnungen mit Che Guevara und mit der sowjetischen Kosmonautin Valentina Tereschkowa ließen ihn zum überzeugten Kommunisten werden. Wegen seiner politischen Aktivitäten wurde er in Argentinien verhaftet und 1966 ausgewiesen. Dean Reed siedelte danach in die Sowjetunion über und wurde auch dort bald zum Liebling des Publikums. Von 1973 an bis zu seinem Tode lebte und arbeitete Dean Reed als Sänger, Schauspieler und Regisseur in der DDR.

Offener Brief von Dean Reed
an Alexander Solzhenizyn


Werter Künstler-Kollege Solzhenizyn!

Als amerikanischer Künstler muß ich auf einige Ihrer Anschuldigungen antworten, die von der kapitalistischen Presse in der ganzen Welt verbreitet werden. Nach meiner Meinung, sind es lügenhafte Anschuldigungen, und die Völker der Welt sollen wissen, warum sie verlogen sind.

Sie haben die Sowjetunion eine „zutiefst kranke Gesellschaft gebrandmarkt, die vom Haß und von Ungerechtigkeit betroffen ist“. Sie behaupten, daß die Sowjetische Regierung „ohne Feinde nicht leben könnte, und die ganze Atmosphäre vom Haß, und noch einmal vom Haß durchtränkt ist, der nicht einmal vor Rassenhaß haltmacht.“ Sie sollten das über meine Heimat sagen, aber nicht über die Ihre!

Gerade Amerika führt doch Kriege, und nicht die Sowjetunion, es schafft Spannungen durch mögliche Kriege, um der Wirtschaft und unseren Diktatoren, dem militärisch-industriellen Komplex, noch mehr Reichtüm und Macht zu verschaffen, durch das Blut des vietnamesischen Volkes, unserer eigenen amerikanischen Soldaten und aller freiheitsliebenden Völker der Welt! Die kranke Gesellschaft habe ich in meiner Heimat, und nicht Sie, Herr Solschenizyn!



Gerade Amerika, und nicht die Sowjetunion, hat sich in eine der brutalsten Gesellschaften verwandelt, die es in der Geschichte der Menschheit jemals gab. Amerika, wo die Mafia eine größere wirtschaftliche Macht besitzt, als die größten Gesellschaften, und wo unsere Bürger in der Nacht nicht auf die Straße gehen können, ohne die Angst, einem verbrecherischen Angriff zum Opfer zu fallen.


Gerade in den USA, und nicht in der Sowjetunion, wurden doch in den 70 Jahren nach 1900 mehr Menschen umgebracht, als die Zahl aller amerikanischen Soldaten betrug, die in den Kämpfen im ersten und zweiten Weltkrieg, sowie in Korea und in Vietnam, ums Leben kamen!


Gerade unsere Gesellschaft hält es für bequem, jeden beliebigen, progressiven Führer umzubringen, der den Mut aufbringt, seine Stimme gegen einige unserer Ungerechtigkeiten zu erheben. Das ist es, was man unter einer kranken Gesellschaft versteht, Herr Solschenizyn!


Desweiteren sprechen Sie über Rassenhaß! In Amerika, und nicht in der Sowjetunion, bleiben die Morde an Negern, die in halber Sklaverei gehalten werden, zwei Jahrhunderte lang unbestraft. In Amerika, und nicht in der Sowjetunion, verhaftet und verprügelt die Polizei ohne Untersuchung jeden beliebigen Neger, der versucht, sich für seine Rechte einzusetzen. Dann behaupten Sie, „Meinungsfreiheit“, die ehrliche und völlige Meinungsfreiheit sei „die erste Bedingung für die Gesundheit einer Gesellschaft, so auch für unsere“.
Eine gesunde Gesellschaft?

Versuchen Sie doch mal, diese Gedanken unter den leidenden Völkern zu verbreiten, die gezwungen sind, um ihre Existenz zu kämpfen, und die wider Willen unter dem Joch diktatorischer Regimes leben, welche sich nur dank der Militärhilfe der USA an der Macht halten. Erzählen Sie ihre Gedanken doch den Menschen, deren „Gesundheit“ nur darin besteht, daß die Hälfte ihrer Kinder schon bei der Geburt stirbt, da sie kein Geld für einen Arzt haben, und die aus Mangel an ärztlicher Betreuung ihr ganzes Leben lang Leid erdulden müssen. Reden Sie darüber doch mal mit den Menschen der kapitalistischen Welt, deren „Gesundheit“ darin besteht, daß sie das ganze Leben in ständiger Angst vor Arbeitslosigkeit verbringen.

Sagen Sie das mal den amerikanischen Negern, wie viel Sie denen mit ihrer „Gesundheit“ und „Meinungsfreiheit“ bei ihren berechtigten Kämpfen um die Gleichberechtigung mit den Weißen tatsächlich geholfen haben, wenn man nach zwei Jahrhunderten amerikanischer „Meinungsfreiheit“ in vielen Regionen der USA immer noch meint, einen Neger zu töten sei nichts anderes, als einen Bären zu erschießen!
Meinungsfreiheit?

Erzählen Sie den Werktätigen in der kapitalistischen Welt doch mal über Ihre Ideen von der „Meinungsfreiheit als erste Bedingung der Gesundheit“, wenn wegen Geldmangels ihre Söhne und Töchter keine Möglichkeiten haben, ihre geistigen Fähigkeiten in einer Schule zu entwickeln, die es deshalb nicht einmal schaffen, lesen zu lernen! Sie reden hier über Meinungsfreiheit, während ein großer Teil der Bevölkerung der Erde noch nicht einmal über die Möglichkeit verfügt, diese Worte überhaupt zu lesen!

Nein, Herr Solschenizyn, Ihre Erklärungen über Meinungsfreiheit als erste Bedingung für Gesundheit ist falsch. Die erste Bedingung besteht darin, ein Land ausreichend moralisch, physisch und geistig gesund zu machen, damit seine Bürger lesen, schreiben, arbeiten und in Frieden leben können. Nein, Herr Solschenizyn, ich werde Ihre erste Bedingung für Gesundheit der Gesellschaft nicht akzeptieren, insbesondere Ihre Erklärungen und ihren Kontext.

Mein Land, das für seine angebliche „Meinungsfreiheit“ bekannt ist, ist ein Land, wo die Polizei die Teilnehmer friedlichen Demonstrationen überfällt. In meinem Land sind friedliche Demonstrationen erlaubt, und während der verbrecherische Krieg gegen das vietnamesische Volkes fortgesetzt wird, verändert sich durch die Demonstrationen die Politik der Regierung nicht im geringsten. Glauben Sie wirklich, daß der militärisch-industrielle Komplex, der mein Land und die Ganovenwelt lenkt, sich durch „Meinungsfreiheit“ irgendwie beeindrucken läßt?! Die Herrschenden lassen sie zu, weil sie, und nur sie über die Macht verfügen, Entscheidungen zu treffen. Tatsächlich besteht die Meinungsfreiheit nur in Worten, nicht aber in Wirklichkeit!

Sie erklären auch, daß die Sowjetunion nicht mit dem 20. Jahrhundert Schritt hält. Wenn das auch stimmt, so deshalb, weil die Sowjetunion immer mit einem halben Schritt im 20. Jahrhunderte vorausgeht! Warum schlagen Sie Ihrem Volk dann nicht vor, auf die führende Rolle und Avantgarde aller progressiven Völker der Welt zu verzichten und zu den unmenschlichen und grausamen Bedingungen zurückzukehren wie im übrigen Teil der Welt, wo Ungerechtigkeit und fast feudalistische Bedingungen vorherrschen?
Ein „leidgeprüfter Schriftsteller aus der Sowjetunion“?

Herr Solschenizyn, in Ihrem Artikel behaupten Sie, daß Sie „ein leidgeprüfter Schriftsteller aus der Sowjetunion“ seien. Offenbar heißt das, daß Sie an einem Mangel an moralischen und gesellschaftlichen Prinzipien leiden, und daß leisen, nächtlichen Stunden Ihr Gewissen Sie plagt, wenn Sie mit sich allein sind.

Es ist richtig, daß es in der Sowjetunion Ungerechtigkeit und Mängel gibt, doch alles in der Welt ist relativ. Prinzipiell und tatsächlich strebt Ihre Gesellschaft nach einer gesunden und gerechten Gesellschaft. Die Prinzipien, auf denen Ihre Gesellschaft aufgebaut ist, sind gesund, sauber und gerecht, während die Prinzipien auf denen unsere Gesellschaft beruht, grausam, eigennützig und ungerecht sind.

Es ist offenbar, daß im Leben Fehler und einige Ungerechtigkeit sein können, eines ist jedoch gewiß, daß eine Gesellschaft, die gerechten Grundsätzen beruht, bessere Perspektiven hat, zu einer gerechten Gesellschaft zu werden, als jene Gesellschaft, die auf Ungerechtigkeit und der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beruht. Die Gesellschaft und die Regierung meines Landes sind weit hinter der Zeit zurückgeblieben, weil ihr einziges Ziel aus dem Bestreben besteht, in der ganzen Welt ihren Stempel aufzudrücken. Es ist gerade Ihr Land, das im Namen der Menschheit progressive Schritte unternimmt, und wenn etwas noch unvollkommen ist und man ab und zu stolpert, so dürfen wir nicht das ganze System für diese Unzulänglichkeiten tadeln, und müssen seinen Mut und sein Bestreben begrüssen, neue Wege zu beschreiten.

Mit besten Grüßen,
Dean Reed

Quelle: „Ogonjok“ № 5 (2274), 1971 / “Literaturnaja Gazeta” № 5, 1971
(Übersetzung: N.N./Zwischenüberschriften eingefügt)
Siehe auch: 
http://www.deanreed.de/datum/01-27-1971.html
Solzhenizyns Lügen im „Archipel GULag“
So werden Dissidenten gemacht
Die Konterrevolution in der DDR und ihre Handlanger

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